Geschlechtsdetermination bei Ameisen

Forschende der Universitäten Mainz und Lausanne führen Geschlechtsdetermination bei Argentinischen Ameisen auf nichtcodierendes Gen zurück

Wodurch wird bestimmt, ob eine Ameise männlich oder weiblich wird? Während dies beim Menschen auf X- und Y-Chromosomen zurückzuführen ist – Frauen haben zwei X-Chromosomen, Männer jeweils ein X- und ein Y-Chromosom – kommt bei Ameisen, Bienen und Wespen ein anderer Faktor zum Tragen: die Haplodiploidie. Dabei wird das Geschlecht dadurch bestimmt, dass Männchen nur einen Chromosomensatz tragen (haploid), Weibchen hingegen den doppelten Chromosomensatz (diploid). Entsprechend schlüpfen aus unbefruchteten Eiern, die also nur einen Chromosomensatz enthalten, Männchen, aus befruchteten Exemplaren mit zwei Chromosomensätzen schlüpfen Weibchen.

Arbeiterin (l.) und Männchen (r.) der Argentinischen Ameise (Foto/©: Hugo Darras und Qiaowei Pan)

Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und der Universität Lausanne in der Schweiz haben die molekularen Mechanismen untersucht, die der Geschlechtsdetermination der Ameise zugrunde liegt. Schließlich besteht der Großteil der Ameisenpopulation aus weiblichen Arbeiterinnen, die wenigen Männchen jedoch sind unerlässlich für das Überleben der Spezies. Um diesen Mechanismen auf die Spur zu kommen, setzten die Forschenden auf diploide Männchen der Argentinischen Ameise. In dieser Spezies können bei Inzucht auch aus befruchteten Eiern sterile Männchen entstehen, wenn die Allele des geschlechtsbestimmenden DNA-Abschnitts identisch sind. „Auf diese Weise konnten wir die beiden Chromosomensätze, die jeweils in Weibchen und diploiden Männchen auftreten, miteinander vergleichen – während haploide Männchen ja nur einen einzelnen Chromosomensatz besitzen“, erläutert Dr. Qiaowei Pan, Wissenschaftlerin am Institut für Molekulare Biologie (IMB) in Mainz und an der Universität Lausanne. Das Ergebnis: Die beiden Chromosomensätze sowohl in diploiden Männchen als auch in Weibchen waren über fast die gesamte Länge identisch – außer an einer Stelle. „Wir konnten eine 5kB-Region mit sieben verschiedenen Versionen ausmachen. Alle Weibchen tragen zwei unterschiedliche Versionen, Allele genannt, während alle Männchen zweimal die gleichen Allele tragen. Diese Stelle scheint daher für die Geschlechtsdetermination elementar zu sein“, so Pan. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in Science Advances veröffentlicht.

Erstes nichtcodierendes Gen in der genetischen Geschlechtsdetermination
Einen ähnlichen Mechanismus zur Geschlechtsbestimmung konnte eine Arbeitsgruppe der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf kürzlich in der Honigbiene aufdecken. Auch hier weisen die Männchen im Gegensatz zu den Weibchen zwei identische Allele im geschlechtsbestimmenden DNA-Abschnitt auf. Im Fall der Honigbiene ist dieser Abschnitt ein proteincodierendes Gen. Das heißt: Liegen wie bei den weiblichen Bienen zwei verschiedene Genversionen oder Allele vor, werden dementsprechend zwei Proteine gebildet, die miteinander interagieren. Anders jedoch bei den Ameisen. „Zu unserer Überraschung fanden wir bei den Ameisen, dass die geschlechtsbestimmende Genstelle kein Protein codiert – also keine Information für den Bau eines Proteins trägt. Man spricht dabei von einer nichtcodierenden Ribonukleinsäure“, fasst Dr. Qiaowei Pan zusammen. Allerdings produziert das Gen RNA, die anders als die erbguttragende DNA als Einzelstrang vorliegt.
Beim Bau der RNA aus der geschlechtsbestimmenden Genomstelle ist ein weiterer Unterschied zwischen Weibchen und diploiden Männchen zutage getreten: Bei Weibchen, die zwei verschiedene Genome tragen, ist die RNA-Expression höher als bei diploiden Männchen mit zwei Kopien des gleichen Gens – es wird also verstärkt RNA produziert. Bei Männchen ist die RNA-Expression von der Larve über die Puppe bis zur Ameise niedrig, während sie bei Weibchen stets hoch bleibt. Doch nimmt dies tatsächlich Einfluss auf die Geschlechtsdetermination? Um diese Annahme zu überprüfen, schalteten die Forschenden die Expression dieser nichtcodierenden RNA bei einem weiblichen Embryo aus; sie schaltete dann auf die männliche Entwicklung um. „Auf diese Weise konnten wir nachweisen, dass es tatsächlich die RNA-Expression ist, die das Geschlecht bestimmt“, so Pan.
Doch wie kommt es dazu, dass zwei verschiedene Allele an der geschlechtsbestimmenden Stelle im Gen dazu führen, dass mehr RNA exprimiert wird? Dies ist bislang noch nicht klar. Dr. Qiaowei Pan und Dr. Hugo Darras, Forschungsgruppenleiter am Institut für Organismische und Molekulare Evolutionsbiologie der JGU, arbeiten daher derzeit mit der Gruppe von Dr. Claudia Keller Valsecchi am Institut für Molekulare Biologie (IMB) in Mainz zusammen, um die Mechanismen aufzuklären, die dieser neuartigen Art der Geschlechtsbestimmung zugrunde liegen.

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